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Kann ich dem Standhalten?

50 x 40 Gold, Weiß und Senegalblau auf Gipsgrundierung
50 x 40 Gold, Weiß und Senegalblau auf Gipsgrundierung
50 x 50 Gold, Weiß und Senegalblau auf Gipsgrundierung
50 x 50 Gold, Weiß und Senegalblau auf Gipsgrundierung

zwischen den Jahren

Es war in den letzten Tagen des alten Jahres, als ich diese beiden Rahmen gearbeitet habe. Die Weihnachtstage mit ihrem besonderen Flair waren vorüber und der Jahreswechsel ließ noch auf sich warten. Ruhe lag in diesen Tagen und um mich herum. Die Atmosphäre war Besonders. 


 Ruhe lag in diesen Tagen



Nachdem ich die beiden Leinwände gut vorbereitet hatte, habe ich sie mit einer Gipsmasse grundiert. Je nachdem, wie ich mir diesen Auftrag gestalte, entstehen Erhebungen, Furchen und Vertiefungen. Ich modelliere sozusagen und ich liebe es, auf diese Art zu formen und Neues zu gestalten. Gips hat die Eigenschaft, sich nach dem Trocknen zu einer festen Masse abzubinden. Aufgrund dieser charakteristischen Eigenart, erfordert die weitere Bearbeitung nach dem Trocknungsprozess eine völlig andere Herangehensweise von mir, als z.B. das samtig weiche China Clay. 

 

Laufen lassen

Die weitere Gestaltung fällt mir dann mit einem Pinsel meist schwer. So auch dieses Mal wieder. Deswegen bin ich auf die Technik des "Schüttens" übergegangen. Dafür verdünne ich mir die Farben sehr stark mit Wasser. Manchmal tupfe ich diese dann auf, oder wie bei diesen Werken, wo ich sie auf die Leinwand geschüttet habe. Die Farben suchen sich dann ihren Weg, kullern über Erhebungen hinweg und legen sich in Vertiefungen ab. Es ist beruhigend und faszinierend zugleich, diesem Fließen zuzusehen. Hier kann ich mich zurücklehnen und einfach mal "laufen lassen". Wie wohltuend das ist!

 

Erhebungen, Furchen und Vertiefungen
Erhebungen, Furchen und Vertiefungen

 

Alles ist im Fluss und es bleibt spannend für mich, den Bewegungen des Wassers zu folgen. Welchen Weg suchen sich die Farben? Wo vermischen sie sich und erzeugen in ihrem Gemisch völlig neue Farbnuancen? An welchen Stellen stoßen sie aneinander? Wo fließen sie ineinander und verändern manches, was so schön anzusehen ist oder zerstören gar, mir liebgewonnene Stellen? 


 Sanftes Wiegen



Wann ist der Moment da, dieses zu beeinflussen? Etwa indem ich die Leinwand kippe oder anhebe? Oder sie vorsichtig hin und her bewege, also ganz sanft wiege. Oder wo ich einfach mit der Wassersprühflasche die Richtung lenke? Was braucht mein Vorankommen nun von mir? Bedachtsam lasse ich mich leiten.  

 

Zulassen

Solch eine Prozedur ist langwierig. Und es dauert auch, bis das Fließen ins Stocken gerät und die Farbpfützen sich nur noch langsam oder kaum mehr bewegen. Ich kann jetzt nicht mehr tun, als den Prozess gewähren lassen. Kann ich dies für mich zulassen? Bringe ich die Bereitschaft auf, 


"Standhalten ist mehr als Nichtstun"

Welch wertvolle Erkenntnis!



dem Standzuhalten? Meine Geduld ist gefordert, dieses nun nur noch langsame Vorgehen anzunehmen und mitzugehen. Und auf einmal wird für

mich klarer: Standhalten ist mehr als Nichtstun. Welch wertvolle Erkenntnis! Nun ist Stille eingekehrt, auf der Leinwand und in mir. Ich ziehe mich zurück und lasse erstmal alles ruhen.

 

 

Ich bin ihnen schon oft begegnet,

den Momenten,

wo das "geschehen lassen" gefordert ist.

 

 

  • In der Begleitung von Sterbenden, wo ab einem bestimmten Augenblick das mitgehen und dabeibleiben das einzige ist, was "noch machbar" ist.
  • Ich kenne sie aus den Erzählungen von Schwer- Erkrankten, wenn sie ihren Situationen erstmal nichts entgegenzuhalten haben.
  • Oder als Weggefährte von Trauerprozessen, den Zeiten, bis sich dem Trauernden die neue Wirklichkeit voll erschlossen hat.
  • Und ganz gut aus meinen ganz eigen gemachten  Erfahrungen. 

 


 

 

Mich auf diese (Zwischen-) Zeit einlassen,

weil danach etwas Neues folgt.

 


 

Ich bin sehr dankbar, für diese Arbeit. Wie es tags darauf in meinem Atelier weiterging und welche Frage sich mir in meinem Inneren fortlaufend stellte, das erzähle ich Ihnen in meinem nächsten Eintrag. Bleiben Sie interessiert, ich freue mich auf Sie!

 

Herzlichst,

Bernadette Vögele